Beziehung ist Alles
- Interview mit Lisa Lapp, Erzieherin -
Heute hatte ich das besondere Privileg mit Lisa Lapp über ihre Erfahrungen des letzten Jahres zu sprechen und sie zu Strategien und Tipps für das neue Jahr zu befragen. Ich bin sehr dankbar, dass sie sich die Zeit genommen hat und uns hierdurch einen Einblick in ihre Welt als Erzieherin gibt.
Seien Sie gespannt – sie hat ein paar tolle praktische Tipps auf Lager.
Lesen Sie selbst:
Wenn du auf das vergangene Kalenderjahr mit deiner Krippen-Gruppe zurück blickst, was hat dich da besonders begeistert und was hat dich am meisten herausgefordert?
Unser größtes Thema war der Umzug mit 20 Kindern in ein neues Haus hier vor Ort. Diese Herausforderung hat sich durch die komplette Jahresplanung und die Elterngespräche gezogen. Denn es gibt ja unglaublich viele Themen über die man sich Sorgen und Gedanken machen kann. Wir haben gegrübelt und uns hinterfragt. Gleichzeitig haben wir die Kinder auf diesen großen Umzug vorbereitet und uns Sorgen gemacht, ob die Kids das tatsächlich schaffen.
Tja - und dann waren die Kinder entspannter als wir. Das hat mich total begeistert. Die Kids sind einfach in das neue Haus rein, haben gleich die neuen Möbel und Spielsachen entdeckt und waren glücklich.
Für sie war alles gut.
Wie kam es, dass die Kinder beim Umzug entspannter waren als die Großen?
Naja, wir haben die letzten Kartons noch mit den Kindern zusammen ausgepackt. Das war für sie natürlich wie Ostern und Weihnachten zusammen.
Für mich war aber das Schönste, dass die Kinder einfach mitgegangen sind, weil die bekannten Bezugspersonen da waren.
Wenn die Bindung stimmt und die Sicherheit da ist, dass „Meine Bezugsperson dabei ist“, dann kann man eigentlich überall hin gehen. Das ist okay und gut für die Kinder, weil sie uns kennen. Weil wir da sind.
Neben der Pädagogik und dem Spielen, steht ja die Beziehung im Mittelpunkt eurer Arbeit. Kannst du uns ein Beispiel dazu geben?
Ja, klar. Ich hatte einen Magic Moment mit einem Kind, das neu in der Krippe war und nicht sprechen wollte. Er saß einfach nur da. Ich habe dann entschieden, mich bewusst aus dem ganzen Krippen-Alltag rauszunehmen und mich einfach neben ihn zu setzen. Da hatte ich kurzzeitig auch mal ein schlechtes Gewissen, weil ich ja die Kollegin in diesem Moment mit allen Kids allein gelassen habe.
Ich musste auch selbst erst mal in der Ruhe ankommen und mich vom „Macher-Wahnsinn“ distanzieren. Aber ich habe gespürt, dass er das gebraucht hat.
Und dann seid ihr Beide nur da gesessen oder was habt ihr gemacht?
Wir saßen eine dreiviertel Stunde nebeneinander auf dem Boden und haben beobachtet. Wir haben nicht geredet. Und bei dem Beobachten habe ich selbst erst mal wahrgenommen, was in meiner Gruppe so abgeht. Ich habe selbst gespürt, was das für eine unglaubliche Geräusch- und Wahrnehmungskulisse für einen 1,5 Jährigen ist, der ganz neu in die Gruppe kommt. Selbst ich war total geflasht. Ich habe angefangen meine neuen Kinder noch besser zu verstehen, weil ich mich selbst in die Situation hineinversetzt habe. Ich habe verstanden, warum die Kinder mittags immer so müde werden und weinerlich sind. Und ich habe wieder einmal mehr gelernt, dass auch nur dieses „Bei ihm sein“ schon etwas verändern kann.
Kannst du uns das genauer erklären? Wie ist es denn weitergegangen mit euch beiden?
Es ist ja ganz normal, dass ein neues Kleinkind erst einmal die Beobachterrolle einnimmt. Das ist auch okay so. Die Kleinen sind am Anfang überfordert und da sprechen die meisten Kinder noch nicht viel.
Aber trotzdem ist es wichtig, dass ich dennoch irgendwie eine Beziehung zu ihm aufbaue. Genau deswegen habe ich mich einfach nur neben ihn gesetzt. Der kleine Mann hat erst einmal diese Nähe gebraucht, die Sicherheit und eine Vertrauensperson, um wirklich aufzutauen. Das war der notwendige Schritt bevor er angefangen hat, sich richtig zu zeigen. Danach ging die Eingewöhnung erstaunlich schnell.
Und du meinst wir unterschätzen den Beziehungsaspekt zu oft?
Ja, als Erwachsene denken wir oft, dass wir den Kindern noch mehr und mehr geben müssen. Noch ein neues Spiel, ein nächstes Angebot oder eine andere Aktivierung.
Aber manchmal ist es tatsächlich einfach „nur“ die Beziehung, die Liebe und die Zeit, die wirklich etwas verändern. Das kann eben kein Gegenstand geben. Eine Umarmung ist viel mehr wert, als ein Kuscheltier im Arm zu haben.
Mit Kindern zu arbeiten, ist ein Privileg und gleichzeitig eine große Verantwortung. Welche Sehnsüchte möchtest du in diesem Jahr gerne in den Herzen der Kinder wecken?
Mir persönlich ist es wichtig, dass man sich selber wahrnehmen kann und weiß, was einem gut tut. Ich wünsche mir, dass die Kinder genau das lernen.
Heutzutage sind Kinder sehr viel unterwegs. Sie sind von früh morgens bis Nachmittags in der Kita, dann ist da noch der Sportverein oder Freunde.
In diesem Trubel ist es gut, zu lernen „Was tut mir gut? Wo muss ich vielleicht Stopp sagen oder wo will ich losrennen? Was brauche ich für das Emotionale, aber auch für das Körperliche?“
Denn ich bin der Überzeugung:
Nur wenn jemand weiß, was ihm selbst gut tut, kann derjenige auch anderen Gutes tun. Offene Augen für andere kann ich nämlich nur haben, wenn ich auch offene Augen für mich selbst haben kann.
Und wie versuchst du diese Sehnsucht in die Kinder zu legen?
Indem ich ganz tief mit den Kindern in ein Thema einsteige. So bemerkt das Kind selbst: „Am meisten hat mir das Sandtisch-Malen Spaß gemacht“ oder „Bewegung brauche ich unbedingt“. Ich gebe Wiederholungen und dann entsteht bei manchen Kindern so ein Fiebern hin zu dem, was sie brauchen: „Endlich gibt’s Essen“, zum Beispiel. Bei diesen Kindern hebt sich mit dem Essen die Stimmung total.
(Sympathiepunkte aus der Redaktion :) )
Durch die Abwechslung im Alltag von Ruhephasen und Aktivität, lernen die Kinder in sich hinein zu spüren: „Bin ich länger im Garten oder länger im Ruhe-Raum?“
Drücken die Kids das dann selber aus?
Ja, die Kleinsten haben noch so ein richtiges Gespür dafür. Kindergartenkinder haben das meistens schon wieder verlernt. Aber ein Kleinkind, setzt sich halt auch mal mit dem Buch in die Ecke und ist da glücklich. Sie erkennen ihr Bedürfnis und folgen diesem oder fordern es ein: „Ich habe jetzt Hunger.“ – „Ich schreie jetzt.“, und nicht erst in einer Stunde. „Jetzt brauche ich eine Umarmung.“ Also hilft die Antwort: „In zwei Stunden kommt die Mama, da wirst du sowieso umarmt.“, überhaupt nicht weiter. "Nein. Jetzt. Jetzt brauche ich Liebe, Aufmerksamkeit,…"
Die kleinen Kinder sind einfach noch sehr in diesem jetzigen Moment.
Wie Lisa mit den Kindern in Themen einsteigt, um die angesprochene Sehnsucht zu wecken, wie sie ihre Magic Moments reproduziert und wie sie mit Herausforderungen umgeht, erfahren Sie in Teil 2 des Interviews.